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AVIVA-BERLIN.de 9/19/5784 - Beitrag vom 09.09.2008


Tzipi Livni im Portrait
Margret Müller

Ihre politische Laufbahn scheint eine Sprintstrecke zu sein: nach nur mehr als zehn Jahren in der Politik ist Tzipi Livni Kadima-Chefin und hat gute Chancen, die nächste Ministerpräsidentin...




...zu werden.



NEWS vom 11.02.2009 Mazal Tov! Tzipi Livni gewinnt die Wahl 2009. Und jetzt, Israel?
Am 10. Februar waren 5,3 Millionen Wahlberechtigte zur Wahl der 18. Knesset aufgerufen. Zur Abstimmung traten 33 Parteien an. Die Resultate von Smith-Ynet poll:
  • Kadima 28
  • Likud 26
  • Yisrael Beiteinu 16
  • Labor 14
  • Shas 10
  • United Torah Judaism 6
  • Hadash 5
  • Jewish Home 4
  • United Arab List – Ta´al 4
  • Meretz 4
  • National Union 3
    Nach Bekanntgabe der Auszählung in der Nacht zum 11. Februar 2009 wandte sich Tzipi Livni in ihrer gewohnt souveränen Art mit einer bewegenden und direkten Ansprache an ihre Partei. "The land of Israel does not belong to the Right, just as peace does not belong to the Left," sagte die Kadima-Chefin in Richtung zu ihrem Rivalen Netanyahu und rief ihn damit auf, eine gemeinsame Regierung unter ihrer Führung zu akzeptieren.
    Livni weiter: "Before the elections I offered you to join a national unity government led by me to take on the challenges facing the State of Israel. You declined and said the people must choose. Today the people have chosen – Kadima!"
    Wir können nun nur noch hoffen, dass es Tzipi Livni gelingt, eine große Koalition mit dem oppositionellen Likud zu realisieren. Laut Informationen des israelischen Online-Dienstes "ynet" plant Tzipi Livni Koalitionsverhandlungen mit Netanjahu.
    Quellen: Israel News, Ynet



  • NEWS vom 27.10 2008 Tzipi Livni gab am 24. Oktober 2008 das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zur Bildung der Regierung bekannt. Livni wollte eine Regierung der Kadima-Partei mit der Arbeiterpartei, der Rentnerpartei und der ultraorthodoxen Shas-Partei bilden. Die Bedingungen der Shas für eine Koalition waren 200 Millionen mehr Kindergeld und Jerusalem als unteilbar zu erklären und somit bei Friedensgesprächen mit Palästinensern herauszuhalten. Es wäre vor allem die kinderreiche Wählerschaft der Shas begünstigt worden und die politischen Forderungen hätten Tzipi Livnis Handlungsspielraum beträchtlich eingeengt und eine von ihr angekündigte "neue Politik" unmöglich gemacht. Tzipi Livni dazu: "Ein Regierungschef wird gewählt, um Angelegenheiten des Staates voranzubringen, und ich bin der Meinung, wenn jemand bereit ist, das, woran er glaubt, für einen Posten zu verkaufen, ist er es nicht wert, diesen Posten zu besetzen." Staatspräsident Shimon Peres ordnete Neuwahlen an, womit die jetzige Regierung drei Wochen Zeit hat, sich aufzulösen. Als möglicher Wahltag wird der 17. Februar 2009 gehandelt, bis dahin wird Ehud Olmert Regierungschef bleiben, wenn auch mit eingeschränkter Vollmacht. Zwar darf er keinen Friedensvertrag unterschreiben, könnte aber durchaus die Verhandlungen vorantreiben.




    News vom 18.09.2008Tzipi Livni ist neue Vorsitzende der Kadima Partei
    Bei den Kadima-internen Wahlen am 17.09.2008 zum Vorsitz der Partei gewann Israels Außenministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Tzipi Livni. Sie erhielt 43,1 Prozent der Stimmen und setzte sich damit knapp gegen ihren ersten Rivalen Shaul Mofas durch, der 42 Prozent erhielt. Aufgrund von Tumulten in einigen Wahllokalen zu Ende des Wahltages versucht dieser, das Ergebnis anzufechten.

    Tzipi Livni wird damit Ehud Olmert als Chef der Partei ablösen. Tritt dieser wie angekündigt nach Rosh HaShana (dem jüdischen Neujahrsfest) auch als Ministerpräsident zurück, wird Tzipi Livni seine Nachfolgerin werden. Dazu muss sie aber innerhalb von 42 Tagen eine neue Koalition bilden. Auf der Suche nach Koalitionspartnern wurden die Fühler bereits in alle Richtungen ausgestreckt (von rechtskonservativer Likud-Partei bis zu ultra-linker Meretz). Sollten Livnis Bemühungen scheitern, müssten innerhalb von 90 Tagen Neuwahlen ausgerufen werden. Bis dahin bleibt Ehud Olmert offizieller Ministerpräsident und kann somit weiter über Krieg und Frieden entscheiden.


    Wer ist Tzipi Livni?
    "Pass auf, Tzipi Livni ist keine "Freyerit", ist immer wieder die Antwort, wenn die Rede von Tzipi Livni ist. Damit ist schon einmal der wichtigste Grundstein gelegt, denn "Freyer", Spielball und ausnutzbar, will in Israel wirklich niemand sein. Tzipi Livni lässt sich nichts schenken, sie verschenkt auch nichts. In einem Staat, dessen Bevölkerung durch Korruptions- und Sexskandale politikverdrossen wurde und jeglichen Glauben an Ehrlichkeit in der Politik verlor, erscheint sie wie ein weißer Vogel (so auch die Bedeutung ihres Namens), allein dadurch, dass sie offensichtlich nicht korrupt ist. Es ist allgemein bekannt, das Tzipi Livni keine "Kombinot" macht. Kombinot sind der gängige Weg in Israel, ein Ziel zu erreichen, über Beziehungen die Karriere zu arrangieren.

    In Livnis Außenministerium gibt es keine Gefälligkeiten mehr, kein langjährig loyaler Chauffeur wird mehr als Dank zum Diplomaten ernannt. Gil Samsonov, Werbebetreuer und langjähriger Bekannter sieht es so: "Ihre Marke ist rein. Sie schaut weder links noch rechts, wem sie gefallen sollte." Derartige Konsequenz fällt auf. Sie gewinnt dadurch an Vertrauen. Authentizität ist eine ihrer Stärken.
    Taktisch klug näherte sie sich - zunächst als Ziehtochter des ehemaligen Premierministers Ariel Sharon – innerhalb kürzester Zeit ihrem Ziel, der Führung des Staates Israel.

    Tzipora, "Tzipi" Livni, wurde am 5. Juli 1958 in Tel Aviv geboren.
    Sie wuchs in einer sehr politischen Familie auf, trat aber selbst erst spät in die Politik ein. Ihre Eltern waren aktive Mitglieder der militanten nationalistischen Untergrundorganisation "Irgun" unter Führung von Menachem Begin gegen die britische Mandatsmacht. Eitan Livni war Chef der "operativen Einheit" der Irgun und somit direkt mit der Organisation und Durchführung von Anschlägen beschäftigt, nach Staatsgrünung wurde er Knessetabgeordneter der Likudpartei. Auf dem Grabstein des 1991 Verstorbenen ist eine Landkarte Großisraels zu sehen, die auch Gebiete östlich des Jordans einschließt. "Land für Frieden" gehörte nicht zum Vokabular der zionistischen Familie. Tzipi Livni selber lebt den Spagat zwischen den Prinzipien ihrer Familie und der Realpolitik. Der New York Times sagte sie: "Ich glaube, wie meine Eltern, an das Recht des jüdischen Volkes auf das gesamte Land Israel. Aber ich bin erzogen worden, Israel als Heimatland für Juden und demokratische Werte zu erhalten. Wenn ich mich zwischen meinen Träumen und meinem Bedürfnis, in Demokratie zu leben entscheiden muss, bevorzuge ich, etwas Land aufzugeben."

    Eines ihrer bekannten Schlagworte ist: "Es besteht ein Prozess der Delegimentierung Israels als jüdischen Staat." Aus diesen Gründen setzt sie sich heute aktiv für die Zwei-Staaten-Lösung ein. Sie sieht sich in einem Rennen gegen die Zeit, und um dieses zu bestehen, will sie führen.
    1995, nach Unterzeichnung der Osloverträge und Yitzhak Rabins Ermordung, beschloss Tzipi Livni, bis dahin auf öffentliches und Handelsrecht spezialisierte Rechtsanwältin, aktiv in die Politik einzutreten. Drei Jahre später erhielt sie einen Sitz als Knessetabgeordnete und 2001 mit Ariel Sharons Wahl zum Ministerpräsidenten die Ernennung zur Ministerin für regionale Kooperation und Landwirtschaft, später außerdem Integrations- und Wohnungsbauministerin. 2004 nahm sie ihren "Traumjob" als Justizministerin an und erarbeitete sich einen Ruf als außergewöhnliche, starke Ministerin, offen für Reformen, jedoch treu zu ihren Prinzipien. Sie blieb eine loyale Freundin des Ministerpräsidenten Ariel Sharon, auch in Zeiten der politischen Angriffe. Als eine der ersten folgte sie Sharon in die neugegründete Kadima- Partei, arbeitete das Parteiprogramm aus und unterstützte den kontroversen Abzug aus Gaza. Nach Ariel Sharons Schlaganfall unterstützte sie Ehud Olmert als Nachfolger und erhielt dafür den Vorsitz über das Außenministerium, den sie seitdem innehat. Es ist ihr gelungen, eine internationale Front gegen die Hamas- Regierung in Ramallah zu bilden, ohne die westlichen KollegInnen mit zu hohen Forderungen zu verprellen. Ihre diplomatische Energie, unter anderem beim Zusammenstellen der UN-Kräfte in Libanon nach dem letzten Krieg, hat ihr internationalen Respekt verschafft.

    Ob sie dadurch für das Amt der Ministerpräsidentin qualifiziert sei, stellen besonders Männer gerne in Frage. Automatisch geht der Vergleich zur früheren Ministerpräsidentin Golda Meir, deren Politik als Desaster empfunden wird. Tzipi Livni betonte dazu, die einzige Gemeinsamkeit mit Golda Meir sei ihr Geschlecht. Einstellung, Handeln und politische Ziele seien komplett verschieden.
    Tzipi Livni sieht sich selber nicht als Frau, die zum Beweis der Gleichstellung an die Spitze will, sondern als Mensch, geeignet, Israel voranzubringen. Das beweist wahren Feminismus, der sich nicht in der Geschlechterkampf erschöpft, sondern das Ziel in der Gleich-Gültigkeit der Frau sieht.

    Leider ist sie darin vielen LandesgenossInnen ein Stück voraus. Das Geschlecht scheint die Urkomponente der Beurteilung ihrer Fähigkeiten. Als Frau in einer chauvinistischen Männerwelt müsse sie ja besonders hart und männlicher als ein Mann werden, solche Frauen würden dann zu harsch und kriegerisch, wird oft betont. Tatsächlich scheint es, als müssten starke Frauen in der Politik, - sei es Angela Merkel, Hillary Clinton oder eben Tzipi Livni - heute noch weiblich konnotierte Eigenschaften verstecken und eher männlich konnotierte hervortun, um zu beweisen, dass sie mit der selben Kompetenz handeln können wie ein Mann. Eine Frau muss schon besonders versiert sein, um auf der männerdominierten politischen Bühne eines der härtesten politischen Ämter dieser Welt zu übernehmen.

    Schwer wiegt daher der angebliche Makel ihrer mangelnden professionellen militärischen Karriere, die in Israel immer noch als Vorraussetzung für eine politische gesehen wird. Es wird angenommen, dass nur so strategische Führungsqualität erreichbar ist. Ihre strategisch klare kommunikative Kompetenz, ihr Weitblick als Justiz-, Außen- und Einwanderungsministerin wird dabei gern untergraben. Ihr Verhalten im zweiten Libanonkrieg 1996 wird besonders kritisch beobachtet. Nach Veröffentlichung des Winograd-Reports, der Ehud Olmert stark kritisierte, forderte sie dessen Rücktritt, blieb aber selber im Amt. Eine Welle der medialen Kritik brach daraufhin aus, in vielen Teilen sexistisch und etwa vergleichbar mit dem Sexismus, den Tzipi Livni zu ertragen hatte, als sie während des Krieges in der Knesset einen weiteren Bombenangriff zu verhindern suchte. Sie forderte nach zwölf Tagen Krieg den Beginn von Verhandlungen und wurde daraufhin auch aus den Reihen der eigenen Partei gerügt, es sei Kriegszeit, die Entscheidungen treffe jetzt der Ministerpräsident.
    Dies wurde als militärische Schwäche gewertet.

    Wohl zur Aufwertung dieses Images bestätigte Tzipi Livni kürzlich die Gerüchte über ihre Tätigkeit als Agentin bei dem israelischen Geheimdienst Mossad. Nach Beendigung ihres Militärdienstes wurde sie von 1980 bis 1984 für vier Jahre Agentin und führte Auslandseinsätze durch, vor allem in Paris. Nach vier Jahren beendete sie dieses Leben, heiratete und begann ihr Jura-Studium in Tel Aviv. Über ihre genaue Tätigkeit beim Mossad gibt es weitreichende Spekulationen, von der "Terroristenjägerin" über "strategische Informationsauswerterin" bis zum "Büromädchen".

    Tzipi Livni gehört nicht zu jenen, die mit ihrem Privatleben auf WählerInnenfang gehen, im Gegenteil. Als Politikerin wirkt sie stark, klug, strikt und genau wissend, wohin sie will und wie sie dahin kommt. Sie lässt sich von keinem Berater in eine ihr unklare Richtung drängen und scheut nicht davor zurück, harte Wahrheiten auszusprechen. Die Privatperson Tzipi Livni hält sie bedeckt. Nur langsam - wohl im Zuge der anstehenden Wahlen – wird einiges zu ihrer Person publik. In einem Interview mit der New York Times ist ihr besonders wichtig, zu betonen, sie als Mensch sei weniger diszipliniert, als ihr politisches Verhalten, trage lieber Jeans als Anzüge, gehe lieber auf den Markt als ins Einkaufszentrum. Formalität gehöre zu ihrem Job aber nicht zu ihrer Person.

    Die stärkste Rückendeckung erfährt Tzipi Livni durch ihren Mann, Naphtali Spitzer, der sie als rechte Hand in allen Belangen unterstützt. Er ist ihr "erster Soldat", sagt Yitzhak Regev, der Vorsitzende des Kadima-Hauptbüros im Norden des Landes, "er liebt es einfach, seiner Frau zu dienen und sie zu fördern." Naphtali Spitzer sieht sich selber als Bühnenarbeiter seiner Frau und begleitet sie in allen Aufgaben von der Auswahl neuer BeraterInnen bis zum Kaffeekochen bei strategischen Gesprächen. Seine Beziehungen und seinen Charme als Werbefachmann nutzt er geschickt zum Ausbauen neuer Beziehungen. Ihm wird ein warmer Charakter, Sinn für Humor und Sensibilität für seine Umgebung nachgesagt. Eigenschaften, mit denen er Livnis toughe Linie perfekt ergänzen kann.
    Zum Jazz-Festival Ende August 2008 in Eilat reiste sie privat mit ihrem Mann - als Musikbegeisterte. Ein unmögliches Unterfangen: sofort wurde sie von MitarbeiterInnen der Stadt Eilat umgarnt, die Politik mit ihr machen wollten. Sie "versteckte" sich daraufhin mit ihrem Mann auf dem Hotelzimmer bis zur Jam-Session bei Nacht im Freien, um dort in Ruhe die Musik genießen zu können. Musik ist für Tzipi Livni ein Mittel, loszulassen. Sie tanzt, hört orientalische und israelische Musik und Jazz und spielt in ihrer knappen freien Zeit Schlagzeug, nimmt Unterricht und verarbeitet so nicht selten harte Arbeitstage. Im Alter von 13 bis 14 Jahren war sie Mitglied der Frauenbasketballmannschaft Elitzur Tel Aviv, sie soll eine der besten gewesen sein, heute hält sie sich mit Laufen am Strand fit. Ihre Tierliebe ist bekannt, sie setzt sich für Tierschutz ein und ist seit ihrem 12. Lebensjahr strikte Vegetarierin.
    Sie ist konsequent. Auch im Privaten.


    Weitere Informationen zu Kadima unter:
    www.kadima.org.il (hebräisch)
    www.knesset.gov.il/faction/eng/FactionPageCurrent_eng.asp?PG=185 (englisch)

    Quellen:
    Haaretz
    kadima.org
    ZEIT
    New York Times
    BBC News
    Financial Times Deutschland
    Tagesspiegel
    Cicero

    Das Foto von Tzipi Livni wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom:
    Ministry of Foreign Affairs (MFA)


    Jüdisches Leben

    Beitrag vom 09.09.2008

    AVIVA-Redaktion